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Werte visualisieren



Als Graphic Recorder und auch in den Momenten, in denen ich für eine Organisation eine strategische Visualisierung erstellen darf, werde ich häufig mit dem Thema "Werte" konfrontiert. Und hier beschäftigt mich seit vielen Jahren ein Thema sehr! Warum zeichne ich eigentlich für fast jeden Kunden ähnliche Werte? Innovationsfähigkeit oder Transparenz zum Beispiel? Bei jedem Auftrag höre ich, dass das Silo-Denken aufgebrochen werden soll. Vor vielen Jahren musste ich erstmal googeln, was damit überhaupt gemeint ist, jetzt scheint es überall Thema zu sein.




Wie kommt es also, dass in so vielen Organisationen die gleichen Themen feststecken? Oder: noch besser gefragt: wie kann ich als Visualisiererin dazu beitragen, dass sich die Dinge ändern können?

 

Ich habe hierauf mehrere Antworten und eine Frage.

 

Ich bin davon überzeugt, dass Bilder in dieser immer komplexer werdenden Welt helfen, die Dinge einfacher und schneller zu verstehen. Natürlich weiß jeder in einem Unternehmen, was damit gemeint ist, wenn gesagt wird "wir wollen das Silo-Denken aufbrechen". Aber es scheint ja kaum jemand zu tun. Ich denke, es liegt schon an diesem Satz an sich. Dieser eine Satz selbst hat schon so viele Denk-Windungen, dass man eine klare Handlungsempfehlung daraus wohl nicht ableiten kann. Auch dann nicht, wenn man den Satz umformuliert. Positiv vielleicht. Sowas wie "wir teilen unser Wissen" oder "wir arbeiten transparent" oder ganz knapp "Transparenz". Das erscheint eigentlich ganz logisch und ist wahrscheinlich auch für jeden nachvollziehbar. Aber es scheint im Alltag in großen Unternehmen nicht so einfach umsetzbar zu sein.



 Nun bin ich ja als Visualisiererin gar nicht für die Umsetzung gebucht und auch gar nicht dafür prädestiniert. Aber ich kann mit meinen Bildern dazu beitragen, dass dieses anscheinend schwer in den Berufs-Alltag zu integrierende Wort oder dieser Satz für die Mitarbeiter "fühlbarer" wird und damit zumindest auch einen Schritt weiter in die Umsetzbarkeit gehen kann. 

 

Wenn ich als Mitarbeiter in einem Meeting hören würde, dass wir jetzt beispielsweise "innovationsfähiger" werden, würde ich das sehr wahrscheinlich nicht mit mir  selbst und meiner Arbeit in Verbindung bringen. Das betrifft, wie so vieles im Leben, nur die anderen. Aber nicht mich. Erstens bin ich innovativ. Und zweitens dort, wo ich es nicht bin, kann ich es auch gar nicht sein. Also brauche ich mich mit diesem Wort auch gar nicht auseinanderzusetzten. So wäre meine These, wenn ich innerhalb einer Organisation damit konfrontiert wäre. Denn auch wenn viele Organisationen mehr und mehr daran arbeiten, auf Augenhöhe mit den Mitarbeiten Dinge zu entscheiden, so ist das natürlich konsequent kaum möglich bei beispielsweise sehr vielen Mitarbeitern.

 

Im Endeffekt bekommen ein paar Mitarbeiter also so einen Wert von oben "aufgedrückt". Wenn das ein Wort, ein Satz oder sogar komplette Sätze sind, gehen diese sehr wahrscheinlich links rein und rechts wieder raus. Zumindest schließe ich jetzt einfach mal ganz frech von mir auf andere.


 

Ein Bild dazu wird bestimmt keine großen Zauberwunder vollbringen, aber es zeig doch, dass sich "die Entscheider" noch mehr Gedanken über eine Vermittlung gemacht haben, als sie es wahrscheinlich eh schon getan haben.

 

Man hängt sich auch lieber ein nettes Bild über den Schreibtisch, als eine PowerPoint Präsentation. Und man kann diese Bilder auch noch zusätzlich in Alltagsgegenstände einbauen, um so einen weiteren visuellen Anker zu schaffen.

 

 

Trinkt man einspannt seinen Kaffee in der Pause, kann man dabei vielleicht 2 Minuten darüber nachdenken, wo man heute schon innovativ oder transparent gearbeitet hat, weil der Blick halt eh schon mal auf die bedruckte Tasse Kaffee gefallen ist. Und ein kleines Geschenk in Form so einer "Werte-Tasse" ins Homeoffice nach oder auch vor einem anstrengenden Strategiemeeting steigert garantiert die Motivation und das Team-Gefühl.


Ich habe auch Kunden, die drucken ihre visualisierten Werte auf Holztafeln, Alu-Dibond oder Acrylglas und hängen das dekorativ in jedes Besprechungszimmer. Damit man auch wirklich in jedem Meeting daran erinnert wird, sich gegenseitig zu unterstützen und nicht gegeneinander zu arbeiten. Beispielsweise natürlich wieder nur gesehen.

 

Ein Bild, vor dem man stehen kann, vielleicht auch in Wartezeiten, regt zum Dialog an. Und alleine die Auseinandersetzung mit dem Bild / den Werten führt schon dazu, dass das Wort / der Satz in eine andere Bewusstseinsebene rutscht und sich tiefer verankert. Selbst wenn Mitarbeiter nicht mit diesem Wert übereinstimmen, ist eine Auseinandersetzung mit einem Kollegen oder auch mit einem Kunden sinnvoll.

 

Schon früher hat man sich gemeinsam um das Feuer herum Geschichten erzählt. So ein Bild kann das Feuer von damals manchmal ersetzen und zum Gespräch führen. Ganz ungezwungen, vom Chef nicht forciert und auch nicht be- oder gar verurteilt.

 

Vielleicht geht man auch mehrmals schweigend an so einem Bild vorbei. Auch das hat einen tieferen "Wert" als jeder runtergeschriebene Text oder ein gesprochener Vortrag.


In der Online-Welt gibt es auch diverse Möglichkeiten, um diese Bilder immer wieder ins Gedächtnis der Mitarbeiter zu bringen. Bildschirmschoner, Hintergründe für Zoom u.ä., Maus-Pads, Eingebaut in Miro- oder Mural Boards, ach...da würden mir noch 100 Dinge einfallen.

 

Ich habe noch zahlreiche weitere Antworten, wie Visualisierungen helfen können, Dinge verständlicher zu machen. Doch dazu noch mehr an anderer Stelle.

 

Die einzige Frage, die ich jedoch immer noch habe: warum muss man denn überhaupt solche Werte erarbeiten, die doch so einfach, menschlich und offensichtlich sind? Sollten wir nicht eh alle nach diesen Werten leben und handeln...? Vielleicht habe ich doch eine Antwort...ich habe mal einen schönen Satz in meiner Yogalehrerausbildung von Sri Aurobindo gehört "Gott ist ein ewiges Kind, das sein ewiges Spiel in dem ewigen Garten spielt". Ich mag diese Antwort sehr bei solchen eher philosophischen Fragen, denn sie nimmt alle Schwere und Härte raus.

 

In diesem Sinne wünsche ich viel Freude beim Spielen, Arbeiten, Denken und Erschaffen neuer und alter Werte und dann natürlich auch beim Zeichnen-Lassen!


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