Wie Visualisierung dem Mindset der Mitarbeiter:innen helfen kann

Ich persönlich finde diese von mir selbst gewählte Überschrift grenzwertig. Und das aus zwei Gründen:

- Mir ist mittlerweile das Wort "Mindset" etwas zu abgedroschen und zu pauschal eingesetzt.

- Das andere, was mich an meiner eigenen Überschrift stört, ist der Gedanke, dass Mitarbeitern geholfen werden sollte, bzw. dass diese sich helfen lassen möchten in ihrem Denken. Und der damit verbundene Gedanke, dass es möglich wäre, Gedanken einfach ändern zu können.



Bei fast jeder Veranstaltung, wo ich als Graphic Recorderin gebucht bin, fallen Sätze rund um das Mindset. Das hat mich dazu veranlasst, mal tiefer zu schauen. Vor allem mit dem Fokus, wie denn eine Visualisierung in diesem Punkt wirklich helfen kann. Denn das kann sie durchaus. Wenn das Mindset meines Auftraggebers stimmt. Falls nicht: helfe ich gerne ;-)


Schauen wir einmal genauer hin, in welchen Situationen diese Redewendung Ihren Einzug gefunden hat bei Workshops, Meetings oder Seminaren. 

Verstärkt durch die Corona-Krise sind alle Unternehmen noch mehr auf der Suche nach Antworten, wie eine moderne und nachhaltige Arbeitsform gelingen kann und wie ein Unternehmen trotz vieler Umbrüche und Unsicherheiten zukunftsfähig bleiben oder werden kann. Die Notwendigkeit zur Veränderung ist unübersehbar. Das war schon vor Corona so. Jetzt ist es allerhöchste Eisenbahn für alle, die bisher gedacht haben "na, das geht schon irgendwie". 


Ob ein Unternehmen auch in Zukunft noch Gewinne machen kann, hängt nicht nur von der Geschäftsführung ab oder von dem Produkt oder Service, welche dieses anbietet. Sondern natürlich auch von der "Basis", sprich von den Mitarbeitern, welche die eigentliche Arbeit verrichten. Die an den Maschinen stehen, die beim Kunden sitzen oder die ihr eigenes Team leiten. Dort verantwortungsbewusste und entscheidungsfreudige Leute sitzen zu haben, ist der Traum eines jeden Geschäftsführers. Und genau da setzen dann die Diskussionen in den Führungsebenen zum Thema Mindset an, die ich zeichnerisch begleiten darf. 

 

Ich habe ja nicht nur den Luxus, nicht im System zu stecken, sondern auch noch, dass ich solche Diskussionen fast jede Woche begleiten darf. Ich darf mir also mittlerweile schon ein bescheidenes Urteil darüber erlauben, was gut funktioniert und was weniger. Aus meiner Außensicht kann ich hier zwei grundlegende Unterscheidungen machen in diesen Diskussionen. So wirklich überraschend ist es gar nicht. Überraschend ist es höchstens, dass es sie immer noch gibt: die Führungsebene, die selber keine klare Verantwortung übernehmen möchte und sich um eindeutige, unpopuläre oder eventuell falsche Entscheidungen drückt. Diese Ebene möchte häufig am meisten, dass Ihre Mitarbeiter verantwortungsbewusster handeln. 



Ich bin schon in Meetings und Workshops gewesen, wo ich ausdrücklich darum gebeten worden bin, bestimmten Meinungen und Äußerungen nicht all zu viel oder gar keinen Raum auf meinem Bild einzuräumen. Das macht manchmal sogar durchaus Sinn: und zwar dann, wenn es bei dieser Veranstaltung vorrangig um Spaß im Team geht. Aber es macht dann keinen Sinn, wenn es darum geht, gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Die Kommunikationslosen sagen: "jede Simme in den Raum holen."  Und genau da macht eine Visualisierung zum Thema "Mindset" auch Sinn.


Offen und vorurteilsfrei ALLE Stimmen zulassen. Natürlich ist das bei einem Workshop kaum möglich, alle Mitarbeitenden mit an Bord zu holen. Aber jeweils einen Stellvertreter aus jeden Bereich macht häufig schon Sinn. Denn wenn "die da oben" "denen da unten" sagen, sie sollten doch bitte mal ihr Mindset ändern....mal ehrlich, wer würde das denn machen? Ganz davon zu schweigen, dass ich aus der Sicht der Yoga- und Meditationslehrerin, die ich auch bin, sagen kann, dass das gar nicht geht. Auch wenn ich es wollen würde. Zumindest nicht so einfach und erst recht nicht schnell. Also meine Gedanken kann ich nicht so einfach ändern. Wie soll beispielsweise ein "echter Kerl" an einer Maschine, der sich noch nie mit Gedankenfokussierung, Gedanken annehmen, loslassen, mit Glaubenssätzen und innerlichen Strukturen, mit Innenschau, Zusammenhang von Gefühlen und Gedanken beschäftig hat, sein "Mindset" ändern???? 

"Mindset ändern" ist irgendwie ein Buzzword geworden, wo es häufig darum geht, die dringend notwendige Veränderung auf andere abzuwälzen, die einfach nur mal eben schnell ihr Mindset ändern müssen, damit es dann endlich wieder alles rund läuft.

Hört sich komisch an, ist aber sehr häufig der Fall in den Workshops, in denen ich neutraler Zuhörer sein darf.




Was wir aber tun können, ist auf Augenhöhe reden und gleichberechtigt nach Lösungen suchen. Auch den negativen Stimmen genügend Raum geben. Angst, Unsicherheit und Wut zulassen dürfen. Denn diese Gefühle sind unweigerlich mit Veränderungen verbunden. Die Yoga- und Meditationslehrerin in mir hebt dann klugscheißend ihren Zeigefinger und sagt: "erste wenn ich alle Anteile in mir integriert habe. Wenn alles da sein darf, wenn sich kein Gefühl "weggemacht" fühlt, dann kann ich erst anfangen, diese Gefühle oder Gedanken zu verändern. Solange ich etwas wegdrücke, geht es nicht weg. Im Gegenteil: es setzt sich richtig fest." Kennen wir alle. Sei es nur "ich will weniger esse", "aufhören zu rauchen", "weniger Sofa, mehr Laufen"...etc. 

Auf eine Konferenz, einen Workshop oder ein Meeting, bei der es um neue Arbeitsweisen geht, runtergebrochen, bedeutet das für mich:

es muss alles gesehen und gewürdigt werden, bevor man anfängt, etwas ernsthaft verändern zu wollen.



Eine Visualisierung, wo die Mitarbeiter sich wirklich gesehen fühlen, mit all Ihrer Unsicherheit, der Angst um den Arbeitsplatz oder der Wut auf den Vorgesetzten, kann mehr Veränderung bewirken als jede Power Point Folie, wo drauf steht, wie man demnächst zu handeln oder zu denken hat. Verantwortung übernehme ich nämlich nur dann, wenn ich Verantwortung übernehmen möchte, wenn ich hinter der Sache stehe. Nicht, weil mir jemand sagt, dass ich das tun soll. 

Und wie soll ein Mitarbeiter hinter einer Sache stehen, wenn er bestimmte Dinge vielleicht gar nicht äußern darf? Oder wenn er Angst hat, Fehler zu machen? Oder wenn er sich nicht gesehen fühlt?

Also, liebe Leser:innen dieses Blog Artikel. Wenn Ihr in der Situation seit, einen Workshop vorzubereiten, wo es um das Thema "Mindet" geht: lasst mich Eure Stimmen mitzeichnen. Und zwar alle. Auch alle negativen. Lasst mich Angst und Wut zeichnen. Am Ende des Workshops zeichne ich für die Stimmung auch gerne noch ein "Tschacka-gemeinsam-schaffen-wir-es" Bild. Aber vorher lasst uns ehrlich gemeinsam drauf schauen, wo die Mitarbeiter wirklich stehen. Dann wird's auch was werden mit der sogenannten Veränderung des Mindsets. 


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Kommentare: 1
  • #1

    Thomas (Freitag, 10 Dezember 2021 17:41)

    Sehr treffend formuliert, Martina! Vor allem sehr spannend: die Vergleichsmöglichkeiten über die Einsicht in verschiedene Firmen und deren Kultur.
    Wäre eventuell eine Überlegung wert, Deine Dienstleistung auf „Kultur-Coaching“ für Vorgesetzte auszuweiten ;-).