Visualisierung im Kontext Diversität

- ein paar Gedanken dazu -


"Diversität" ist eins der meist geschriebensten Worte in meinen Graphic Recordings. Ein Buzzword, was in keinem Workshop und auf keiner Konferenz fehlen darf. Aber was bedeutet das denn genau? Ich habe mir dazu mal ein paar Gedanken gemacht.

 

Als Graphic Recorder ist es meine Aufgabe, neutral aufzunehmen, was in der Gruppe gesprochen wird. Aber wenn die Türen hinter mir geschlossen werden, und ich wieder "nur" Martina bin, habe ich natürlich schon meine Gedanken und Meinungen dazu.



Ich habe Freunde, die die unterschiedlichsten Geschlechter lieben oder sein möchten. Ich habe Freunde mit gesundheitlichen oder körperlichen Einschränkungen. Ich habe Freunde, aus den unterschiedlichsten Ländern und mit diversen religiösen Hintergründen. Logischerweise habe ich männliche und weibliche Freunde und auch solche, die irgendwo dazwischen sind. Tief in meinem Herzen verstehe ich einfach nicht, warum man darüber immer noch spricht. Sollte doch Standard sein?


Die Idee hinter der Diversität im Business-Kontext ist es, dass unterschiedliche Menschen unterschiedliche Ideen und Lösungsansätze haben. Aus diesem Grunde, wird dieses Thema immer wieder in den Vordergrund gestellt. 



Des öfteren werden meine Bilder jedoch kommentiert mit den Sätzen: "wir brauchen aber jetzt noch jemand mit dunkler, noch dunklerer, mit gelber, mit roter Hautfarbe", "wir brauchen jemanden im Rollstuhl, an Krücken, einen Dicken". Aber geht es denn wirklich darum? Mein Ansatz, um genau solchen Sätzen vorzubeugen und den Fokus auf dem Wesentlichen (unterschiedliche Lösungsansätze und grundsätzliche Toleranz) zu halten, ist es, mit Symbolen zu arbeiten.


Es gibt aber auch ganz viele Gruppen von Menschen, die ich niemals zeichne. Das Thema Diversität ist ja gerade deswegen so gewinnbringend, weil es unterschiedliche Meinungen rein bringt. Aber richtig kritische Meinungen finden recht häufig keinen Raum. Egal ob diese Meinungen nun nur auf das Geschäft bezogen sind oder auf die ganze Gesellschaft oder politisch gesehen. Mein Herz würde gerne noch mehr Toleranz und Offenheit sehen.


Aber immerhin stimmt die Richtung. Und es ist natürlich auch fraglich, ob wirklich alle Bevölkerungsschichten immer abgedeckt werden müssen und welchen Mehrwert das dann hat. Aber mein Herz möchte trotzdem noch mehr.

Ein Thema, welches ich immer noch nicht verstehe, ist, dass in den hohen Führungspositionen fast nur Männer sitzen, es immer noch kaum Kinderbetreuung in den Firmen gibt, Frauen weniger verdienen als Männer und bei Krankheit des Kindes meistens die Frau zu Hause bleibt.

Auch hier mischt sich mein Herz ein und ruft "was hat das mit Diversität zu tun? Mit Toleranz? Mit Offenheit? Mit "weiter-denken"?"

Meinen Diversitäts-Tiefpunkt habe ich neulich in einer Konferenz eines Großkonzerns erlebt. 10 von 10 Führungskräften waren männlich, etwa Mitte bis Ende 40, alle ein helles Hemd ohne Krawatte tragend, graumeliertes oder graues Haar, schlank und sportlich und mit einer auffälligen Brille. Alle!


Da Visualisierungen helfen, das gesamte Bild zu sehen und sich davon ausgehend weiterzuentwickeln, freue ich mich also, in meinem kleinen Rahmen der Möglichkeiten diesem immer noch jungfräulichen Thema auf die Sprünge zu helfen. Mir geht es dabei wirklich nicht um eine korrekte Schreibweise für alle Leser:innen. Mir geht es vielmehr um das, was in den Köpfen passiert. Und da könnte noch viel mehr gehen. 




Wie oben schon beschreiben, ist der Sinn der Diversität im Büro kein reiner Selbstzweck, sondern dient auch dem Business. Die Mischung von unterschiedlichen Ansätzen führt häufig zu besseren und innovativeren Lösungen als eine Lösung aus einem eher heterogenen Umfeld. 

 

Denn letztendlich geht es zur Zeit doch genau darum: die Suche nach neuen Lösungen. Nach neuen Wegen der Zusammenarbeit. Nach neuen Produkten oder Service-Ideen. Ein einzelner Mensch kommt in dieser komplexen Welt an seine Grenzen. Die Herausforderungen dieser Zeit zu bewerkstelligen, geht wahrscheinlich nur in einer Gruppe. Und je unterschiedlicher, desto mehr Ideen. 


Mein persönliches Highlight zum Thema Diversität durfte ich während eines Graphic Recordings bei einer Fluggesellschaft erleben. Während wir in einem Workshop gemeinsam eine neue Strategie entwickelt haben, sprachen alle sehr respektvoll vom Chef, der am Ende vorbei kommen und seine Ideen und seine Meinung zu dem Erarbeiteten abgeben wollte. Am Ende kam er - stark geschminkt und in pinker Leggins und mit High Heels. Eine Führungsperson, die mich erst mal etwas vom Inhalt abgelenkt hat, weil ich damit nicht gerechnet hatte. Ich kannte bis dahin nur Führungspersönlichkeiten im Anzug oder, wenn es mal ganz leger zuging, in Jeans und Hemd. Aber ich habe selten jemanden getroffen, der in der Sache so klar war, so präzise auf den Punkt, mit leisen und unaufdringlichen Worten das wenige sagend, was wirklich wichtig war. Zu 98% hat er seine Mannschaft machen lassen und zu 100% hat er ihr vertraut. 


Hier wurde das gelebt, was ich für einen gelungenen Workshop als besonders wertvoll erachte. Jede Stimme in den Raum zu holen. Auch die ganz leisen. Alle Meinungen zuzulassen. Unabhängig natürlich von der Hose, Hautfarbe und persönlichen Einstellung zu irgendwas. Der Chef hat sich selber bis zum Schluss zurück genommen und seine Mannschaft mit Vertrauen machen und auch entscheiden lassen. 

Für mich ist das der Sinn von Diversität. Nicht etwas, was man irgendwo festlegen muss, keine Quote und kein Gerede darum. Hier wurde es schlicht und einfach gelebt. Das Ergebnis dieses Workshops hat noch Jahre danach für alle Teilnehmer gewirkt und das Festhalten der unterschiedlichsten Gedanken in Form eines Graphic Recordings machte die Unterschiede erst sichtbar. Am Ende konnte man anhand des Bildes daraus wiederum ein Großes und Ganzes zusammenfassen, was heute noch Bestand hat und als Leitlinien gelten, an die sich alle gerne halten, weil alle wirklich mitgewirkt haben.

Ich fasse also zusammen: mein Herz möchte beim Thema Diversität laut rufen "her mit der Toleranz! Aber ganz wirklich und überall! Und bitte mehr davon leben und weniger reden". Ich freue mich jedenfalls auf das nächste Graphic Recording zum Thema noch mehr Diversität!

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