Graphic Recording in Afrika


Im Februar dufte ich für diverse Live Graphic Recordings für die Gemeinschaft für internationale Zusammenarbeit / GIZ in Uganda und die GIZ im Südsudan tätig sein. Die knapp vier Wochen waren geprägt von viel Arbeit, etwa 100m Papiernutzung, diversen leeren Markern und natürlich von großartigen bunten Menschen, üppiger Natur, Blumen, frechen Affen, Armut, Dreck, einem sehr gut funktionierendem Sicherheitskonzept der GIZ und immer wieder viel Lachen und Tanzen. 

Doch der Reihe nach: 



Live zeichnen in Uganda / Kampala

Die deutsch-ugandische Entwicklungszusammenarbeit geht auf das Jahr 1964 zurück, zwei Jahre nachdem der ostafrikanische Staat seine Unabhängigkeit erklärt hatte. Die GIZ beschäftigt in Uganda etwas mehr als 400 Mitarbeiter.

 

Uganda verfügt über beträchtliche natürliche Ressourcen, darunter fruchtbare Böden, regelmäßige Regenfälle und beträchtliche Kupfer- und Kobaltvorkommen sowie unerschlossene Öl- und Erdgasreserven. Diese Bedingungen bieten Ugandas größtes Potenzial. Die Landwirtschaft bietet Arbeitsplätze für mehr als 80 Prozent der Erwerbstätigen und ist damit die wichtigste Einkommensquelle. Dieser Sektor hat jedoch mit veralteten Produktionsmethoden und der Bedrohung durch anhaltende Entwaldung und den Klimawandel zu kämpfen.

 

Trotz seines natürlichen Reichtums bleibt Uganda eines der ärmsten Länder der Welt. Darüber hinaus ist Uganda aufgrund anhaltender Konflikte im Südsudan derzeit mit einem stetigen Zustrom von Flüchtlingen konfrontiert, was es zum Land mit der höchsten Flüchtlingsquote auf dem afrikanischen Kontinent macht. (Quelle: GIZ)

Ich war mit meinen Papierwänden beim Country Planning, beim Management-, sowie beim Team-Workshop im Einsatz.



Natürlich darf ich hier keine Inhalte zeigen, aber Aufbau, Struktur und Ausschnitte von den Graphic Recordings zeigen schon eine Menge. Ich bin immer mindestens eine Stunde bevor die Veranstaltung los geht im Raum. Beim Country Planning habe ich in dieser Stunde die Überschriften und das Key Visual fertig gestellt. Der Tag gliederte sich auf in mehrere Frontalvorträge, die auf der großen Papierwand ihren Raum fanden und einer Gruppenarbeit. Während einer Gruppenarbeit kann ich häufig erst mal Kaffee trinken gehen, da sich die Gruppe zuerst zusammenfinden muss. Die Inhalte entstehen oft erst in den letzten 15 Minuten. Und das dann bei allen Gruppen. Ich arbeite deswegen gerne ein Template aus, wo ich am Ende in Akkordarbeit wie eine Rakete alle Inhalte innerhalb kürzester Zeit auf das Papier bringe. Man kann sich vorstellen, dass ich am Abend dann etwas Erholung im Pool brauchte....


Während des folgenden Management-Workshop wurden die strategischen Ziele erarbeitet, die in die übergeordnete GIZ-Strategie einmünden. Im Prinzip sind die Workshops in Afrika gar nicht anders als in jedem Konzern. Auch hier wird mit den Transformations-Themen gerungen, wie es auch jede andere Firma tut, in der ich gebucht bin. Es geht auch hier darum, dass man erkannt hat, dass man so, wie man bisher gearbeitet hat, nicht mehr weiter machen kann. Es werden neue Lösungsansätze gesucht, die z.B. immer die Themen Digitalisierung, Automatisierung oder Standardisierung beinhaltet. In Afrika kommen natürlich noch ein paar länderspezifische Themen hinzu, die anders sind als bei uns. Beim Thema "Gender" stehen die Afrikaner an einem ganz anderen Punkt als wir beispielsweise. 

Was für mich hier außerdem neu war, dass das Thema Gesundheit und Work-Life-Balance einen relativ großen Raum bekommen hat.

Als Außenstehende wundere ich mich ja eh immer, wie die Mitarbeitenden in jedem Konzern über einen so langen Zeitraum so ein knallhartes Tempo fahren können. 

 

Meine persönliche Meinung dazu: können sie ja nicht. Das Thema Burn-out, Depression, Herzinfarkt oder Schlaganfall ist ja nicht wegzudiskutieren.

Deswegen: Hut ab davor, dass dieses Thema endlich mal wirklich angesprochen und angegangen wird. 


Ich persönlich habe das Thema Work-Life-Balance ja inhaliert. Wie man sieht, sorge ich zwischen den anstrengenden Tagen immer für genügend Zeit zum Auftanken. :-)



Im Management-Workshop wird überwiegend strategisch gearbeitet und im Team Workshop geht es überwiegend darum, wie man das denn nun genau umsetzen wird.

 

Wieder habe ich diverse Meter Papier vollgezeichnet und 7 Metaplanwände gefüllt. 




Ich muss es hier erwähnen, weil es mich wirklich bis tief in mein Herz berührt hat: DIESE FRAUEN!!!!!

Die Frauen in Uganda sind einfach nur großartig. Sie sind laut, lachen unglaublich viel, sind mutig, sprechen Dinge an, die unbequem sind. Sie sind wunderschön und stolz. Tragen jedes Kilo mit unglaublicher Würde und Anmut. Sie sind sexy, selbstbewusst und bunt gekleidet. Sie sind lustig und weiblich. Sie geben den Ton an und die Richtung vor. Ich kann nicht sagen, wie es wirklich in der Gesellschaft aussieht. Ich kann hier nur ein ganz persönliches Bild von meinen Tagen während der Konferenz aufzeichnen. Und das ist das: Mut und pure Lebensfreude! 



Graphic Recording im Südsudan / Juba.


Der Südsudan ist fast doppelt so groß wie Deutschland und wird derzeit auf rund 11 Millionen Einwohner geschätzt. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist unter 18 Jahre alt. Nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg wurde das Land 2011 vom Sudan unabhängig und ist damit der jüngste Staat der Welt. Der Südsudan ist ein fragiler Staat. Es hat seit 2013 einen gewalttätigen Konflikt erlebt, der rund 400.000 Menschen das Leben gekostet hat und noch immer ungelöst ist. Rund 2,3 Millionen Menschen sind in die Nachbarländer geflohen, rund 2 Millionen wurden aus ihrer Heimat vertrieben und sind nun Binnenvertriebene.

 

Der Abschluss eines Friedensabkommens im Jahr 2015 und die Bildung einer neuen Einheitsregierung im Jahr 2020 sind wichtige Meilensteine auf dem Weg zur Wiederherstellung des Friedens und zur Stärkung der Entwicklung des Landes. Fehlende Infrastruktur und institutionelle Strukturen sind jedoch große Herausforderungen für das Land.

 

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist akut von Hunger oder Mangelernährung bedroht und hat keinen Zugang zu Wasser- und Sanitärversorgung. Auch grundlegende staatliche Dienstleistungen fehlen. (Quelle: GIZ)

 

Um es in meinen eigenen Worten auszudrücken, bzw. mein Erleben dort zu benennen: es herrscht ziemliches Chaos, Dreck und eine sehr große Armut. Es ist für mich niemals gefährlich gewesen, was zum einen an dem Sicherheitskonzept der GIZ Südsudan liegt. Zum anderen ist es im Moment relativ ruhig dort. Die Menschen wollen mein Geld, aber nicht mein Leben. Terror ist dort nicht das Problem, sondern Kriminalität. Aber eine unterschwellige Bereitschaft zur Gewalt ist dort überall fühlbar. 


Den Auftakt machte hier der Management Workshop in Eschborn. Seit dem gewalttätigen Konflikt 2016 sind nur wenige Mitarbeitende der GIZ wieder zurück nach Juba gezogen. Der größte Teil wird noch aus der Ferne, sprich aus Deutschland heraus geregelt, verbunden mit regelmäßigen Dienstreisen. 

 

Auch bei diesem Workshop im Januar in Deutschland wurde hauptsächlich strategisch gearbeitet. 

Wieder mit  den Themen der heutigen Zeit wie Transformation. Digitalisierung und andere. 




Im Südsudan selber stand dann wieder das Team im Vordergrund. Ich finde es schon bemerkenswert, dass die Themen am anderen Ende der Welt sich gar nicht so weit von denen aus unserer Welt unterscheiden. Die übergeordneten Themen gleichen sich auch hier wieder sehr. Die Exekution ist teilweise eine ganz andere. Wie wird was genau umgesetzt? Hier wurden sehr konkrete Maßnahmen erarbeitet. Wie beispielsweise die Erschaffung einer Kantine aus dem Team heraus oder die Bereitstellung eines schönen Baby-Wickelraums. Denn auch hier bedeutet: ein zufriedenes Personal ist ein Personal, welches gute Arbeit macht. 


Simon Ruf von der Deutschen Botschaft im Südsudan hat dem südsudanesischen Team mehr als eine Stunde seiner Zeit geschenkt.

Im Fishbowl-Format stand er allen Fragen Rede und Antwort. 



Nach dem Workshop durfte ich mir das Büro der GIZ South Sudan anschauen. Und was sehe ich? Meine Bilder vom letzten Jahr an den Wänden.

 

Für mich ist das die glücklichst machende Form meiner Arbeit. Zu sehen, dass die Bilder tatsächlich auch im Alltag genutzt werden. Anhand der Visualisierungen werden täglich die zu erarbeitenden Ziele für alle sichtbar. Für den Boss genauso wie für die Menschen im Büro, die Fahrer und die Putzfrauen.

 

Die Bilder werden im Daily Business genutzt, um über die Firmenstrategie zu reden und zu reflektieren.  Und was noch mal richtig toll ist, dass es hier nicht nur darum geht, Gewinnspannen zu erhöhen oder Marktpositionen zu erhalten.

 

Sondern es geht darum, einem von Armut und Bürgerkrieg gebeuteltem Land wirklich zu helfen. 



Das ist eine Erdnuss-Schälmaschine  Damit wird es den Frauen in den Dörfern im Südsudan ermöglicht, mehr Erdnüsse zu verarbeiten und damit mehr Einkommen zu generieren. 

 

Und warum erzähle ich das? Zugegeben, es ist ein Stück weit hergeholt. Aber ich fühle das nun mal so. Also: Die GIZ ist kein kleines losgelöstes Unternehmen, sondern erstens ein großer Konzern und zweitens verbunden mit dem Bundesministerium. D.h. alle Mitarbeiter:innen müssen sich an bestimmte Strategien orientieren, die "von oben" vorgeben werden bzw. im Kleinen auch selbst entwickelt werden. 

 

Die Mitarbeiter:innen, die studiert haben und Konzerndenke gewohnt sind, bekommen das vielleicht noch auf der Tonspur bzw. PPP hin, die Strategie nachzuverfolgen und die teilweise abstrakten Wörter in das alltägliche Arbeitsleben zu übertragen. Aber spätestens beim Fahrer oder der Putzfrau hört es auf, komplexe Dinge verstehen zu können. Die hatten in ihrem Leben weiß Gott auch andere Themen als eine komplexe Strategie mit Wörtern wie Transformation, Gender oder Capacity to Deliver verstehen zu wollen.

 

Seit drei Jahren darf ich schon die jährlich angepasste Strategie dieses großartigen Teams zeichnen. Strategiebilder live zu zeichnen ist die Königsdisziplin des Graphic Recordings. Weil man auf Anhieb diese komplexen Dinge verstehen muss. Auf Papier gibt es keine Löschen-Taste.

 

Wenn die Mitarbeitenden die Strategie verstanden haben, können alle am gleichen Strang ziehen. Dann wissen alle, worum es geht und was der momentane Fokus ist. Alle werden sie beteiligt im Entstehungsprozess des Bildes und am Ende steht hier sogar schwarz auf Farbe, was ganz genau getan werden muss. Die Identifikation mit der Strategie ist also extrem hoch und motivierend.

 

Auch dieses Jahr durfte ich wieder meinen winzig kleinen Teil dazu beitragen, das ganze Team mit an Bord zu holen. Denn nur ein gut aufgesetztes, starkes und vor allem zufriedenes Team kann große Dinge bewirken. So groß wie eben diese kleine Erdnuss-Schälmaschine für die Frau ist, die damit ihre Kinder ernähren kann und sich damit in einem stark patriarchalischen Land etwas Unabhängigkeit erlauben kann. Gelebtes Gender-Thema.


Wie schon erwähnt, ist der Südsudan ein extrem armes Land. Gebeutelt von Hunger und einer immer unterschwellig zu fühlenden Gewaltbereitschaft. Die meisten Südsudanesen sind immer mit einem Bein woanders, immer auf der Flucht. Entweder sind sie Binnenflüchtlinge oder sie oder ihre Familien sind bereits in Uganda. 

 

Wir können uns so ein Gefühl wahrscheinlich noch nicht mal im Ansatz vorstellen. 

 

ABER!!!!! Das hält die Südsudanesen auch nicht davon ab, Party zu machen, wenn sich die Möglichkeit bietet. Kaum macht jemand irgendwo Musik an, wackelt der Po und ein breites Lächeln erscheint auf den Gesichtern. Doch sehen Sie selbst in diesem spontan entstandenen Video: 



So viel zu meinem Graphic Recording Trip ans andere Ende der Welt. Mein Dank gilt ganz besonders den Entscheidern vor Ort, die mir mit ihrem Vertrauensvorschuss immer wieder zutrauen, diese komplexen Dinge in Bilder zusammen zu fassen. Natürlich gilt auch ein besonderer Dank den Sicherheitsleuten vor Ort im Südsudan. Ich habe mich zu keinem Zeitpunkt unsicher oder komisch gefühlt. Das Gefühl, dass sich um mich gekümmert wird, geht weit über eine rein berufliche Beziehung hinaus und fühlt sich fast so an, als würde ich gute langjährige Freude treffen.

Und last but not least: Danke an die großartigen Afrikanerinnen und Afrikaner. Ihr habt meinen Kopf noch weiter auf gemacht, besonders für noch mehr Lebensfreude im Alltag!



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Kommentare: 1
  • #1

    Kitanda (Dienstag, 29 August 2023 09:49)

    Dear Martina, l work with DEval in Bonn. We are looking for a Graphic recorder for a workshop in Entebbe, Uganda on 12.9.23. I want to consult you. ronald.kitanda@deval.org is my email. Can you kindly reach me ?