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Strategiebilder, Graphic Recording und die KI


Graphic Recording für den Digital in Lübeck im Juni 2023
Graphic Recording für den Digital in Lübeck im Juni 2023

Kaum ein Auftrag, ohne dass ich diese beiden Buchstaben schreiben darf. KI. Kaum ein Treffen unter Kollegen, wo dieses Thema nicht heiß diskutiert wird. 

Ich habe mit vielem gerechnet, aber nicht, dass die künstliche Intelligenz als erstes die Kreativ-Branche trifft. Ich hatte in meiner Naivität gehofft, dass mir die KI das Leben tatsächlich leichter macht. Mir meine Steuererklärung abnimmt zum Beispiel oder meine Website regelmäßig auf den aktuellsten Stand bringt. Aber nun ist es anders. Ausgerechnet zeichnen, schreiben oder fotografieren möchte die KI. 


Das hier ist ein Blogbeitrag mit meinen Gedanken zum Thema KI in Hinblick auf Graphic Recording und Strategiebilder. Recht persönlich und subjektiv und er hat keinen Anspruch auf Richtigkeit oder Vollständigkeit. 



In  meinem Kolleg*innenkreis gibt es schon die unterschiedlichsten gedanklichen Ansätze dazu. Ganz oben steht das riesengroße Fragezeichen mit den Urheberrechten. Das ist ja nun so überhaupt nicht geklärt das Thema. Finde ich Teile meiner Bilder in anderen Bildern wieder, die von der KI erstellt worden ist, interessiert das niemanden. Die KI darf sich bedienen aus allen kreativen Köpfen weltweit und braucht keine Rechnung zu stellen. 


Ich kenne auch Kolleg*innen, die die Tür zu dieser neuen Welt weit aufstoßen und schauen, wie sie diese nutzen können. Im Fernsehen gab es neulich einen Bericht einer Kinderbuchillustratorin, die mit Hilfe der KI ihre Bücher nun in einer Woche zeichnet, anstatt in 6 Wochen. Ob das gesellschaftlich gesehen und am Ende monetär für Illustratoren von Vorteil ist, ist ein anderes Thema. 


Ich persönlich habe mich bisher nur an Chat GPT heran gewagt. Ich war noch nie die Technik-Vorreiterin. Chat GPT war aber schon mal recht überzeugend. Besser als Google. Wesentlich kreativer, lernfähiger und im Gegensatz zu Google, sogar einfacher, weil ich ja nicht 500 Auswahlmöglichkeiten habe, durch die ich mich erst arbeiten muss. Apropros. Ich habe dort gerade mal "Illustration und KI" eingegeben. War doch nicht so toll. "Bitte versuchen Sie es in einigen Momenten erneut. Das Anfragelimit (Tokens pro Minute) von OpenAI wurde gerade erreicht aufgrund einer hohen Anzahl gleichzeitiger Anfragen."

Die Seite ist überlastet. Verstehe ich auch. Da stecken ja bestimmt riesengroßer Server dahinter, die Google, Microsoft oder dergleichen betreiben. "Eine Analyse, die durchgeführt wurde, kam zu dem Schluss, dass die Trainings von GPT-3, der Basis von Chat GPT, rund 1.300 Megawattstunden an Strom verbraucht. Das entspricht etwa dem Jahresverbrauch von 200 Menschen."

...das habe ich jetzt übrigens Google gefragt. Chat GBT's Antwort war mir zu unklar. 


Einige Kolleg*innen arbeiten zum Beispiel schon mit dem Programm Midjourney, welches aus einer Texteingabe täuschend realistische Bilder erzeugen kann. Die kostenlose Version zum Kennenlernen ist bereits vom Markt genommen und durch kostenpflichtige Abos ersetzt worden. 

Und dann gibt es noch Programme wie Style Transfer, bei dem der Stil eines Bildes auf ein anderes Bild übertragen wird. Hierbei wird ein KI-Modell verwendet, was den Stil eines Referenzbildes erlernt und diesen Stil auf ein anderes Bild anwendet. 


In meinem Blogbeitrag "der WOW-Moment" habe ich detailliert beschrieben, wie aus einem Briefing ein Strategie-Bild entsteht. 

Egal ob gut vorbereitet von Kundenseite oder gar nicht vorbereitet. Egal ob schriftlich oder mündlich. Ob chaotisch oder klar. Ob mit einer Person als Ansprechpartner oder mit 20 unterschiedlichen Köpfen. Am Ende kann ich aus jeder Form des Briefings ein Bild ableiten. 

Nachdem ich lange zugehört habe, nachgefragt und noch mehr zugehört habe. Nachdem die ersten Ideen in meinem Kopf Gestalt annehmen, ich diese wieder und wieder verworfen habe. Ich noch mehr nachgefragt habe, noch viel mehr zugehört habe, meine Ideen angepasst habe....

...dann präsentiere ich meine ersten Kritzeleien. 

In diesem Schritt geht es darum, gegen zu checken, ob ich den Kunden richtig verstanden habe. Das funktioniert am besten im Gespräch. Folgende Fragen unterstützen diesen ersten Ideen-Prozess:

  • Was ist genau das Ziel des Prozesses?
  • Ist das Ziel in der Mitte und führen alle Wege gleichzeitig zu dem Ziel?
  • Sind die Prozessschritte aufeinander aufgebaut? Oder greifen ineinander?
  • Steht vielleicht der Team-Charakter im Mittelpunkt?
  • Sehen Sie dieses Bild eher in den Bergen, in der Stadt oder am Meer?
  • ...usw

Dieser allererste Teil des Auftrages ist gerade bei Strategiebildern der wichtigste Moment. Man braucht die Fähigkeit, zuzuhören, man darf sich nicht doof vorkommen, 1000 Fragen zu stellen, man muss eine Gruppe durch den Prozess führen können, es braucht Vorstellungskraft, schnelle Auffassungsgabe, viele Ideen und räumliches Denken.


Ich bin mir sehr sicher, dass genau diesen Prozess niemals eine künstliche Intelligenz ausführen kann. 

 

Das Bild zu zeichnen ist am Ende Handwerk. Es kann sein, dass bestimmte Teilbereiche von einer Maschine am Ende gezeichnet werden können. Aber diese Maschine muss ja mit den Inhalten gefüttert werden. Dieses Füttern wird der Kunde nicht können. Denn dafür müsste er sich in den Kopf des Kreativen hineinversetzen können, bzw. wäre theoretisch in der Lage, das Bild selber zeichnen zu können.

 

Wenn der Kunde die KI richtig füttern könnte, bräuchte ich den oben genannten Prozess ja nie durchführen. Aber diesen Prozess fordert wirklich jeder Auftrag. Selbst wenn der Kunde extrem klar in seinen Vorstellungen und seinem Briefing ist. 


Wenn ich gefragt werde, wie ich meine Preise auflisten würde, würde ich sagen, dass gut die Hälfte des Preises diesen ersten Schritt des Prozesses ausmacht. 1/4 ist die Erstellung des Bildes selber. Und das letzte Viertel teilt sich die Finalisierung des Bildes mit zwei Korrekturstufen, der farblichen Umsetzung, sowie alles administrative, wie Recherchen oder Video-Calls.

Was Strategiebilder betrifft, kann die Umsetzung vielleicht in vielen Jahren wirklich eine Maschine machen. Das wäre dann der eine Teil von dem letzten Viertel. Umso wichtiger sind dann die anderen 3/4, die dann auch wirklich gut sitzen müssen, um die KI richtig zu füttern.


Wie das bei live gezeichneten Graphic Recordings gehen soll, kann ich mir gerade noch nicht so ganz vorstellen. Die Briefing-Thematik ist am Anfang ähnlich. Ich darf erst mal rausbekommen, was das Ziel des Prozesses ist und wie das Bild helfen kann, dieses Ziel zu erreichen.

 

Es wird mit Sicherheit irgendwann eine Möglichkeit geben, wie gesprochene Worte in Symbole und Textbausteine maschinell umgesetzt werden können. Aber was passiert dann zum Beispiel mit Sätzen wie "heute habe ich Frau Müller auf dem Weg zur Arbeit getroffen". War ich nun auf dem Weg zur Arbeit oder Frau Müller? Das kann man nur aus dem Kontext verstehen. Wird das eine Maschine können? Kann eine Maschine die Dramaturgie einer Geschichte visuell umsetzen? Kann sie Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden? Kann Sie Themenfelder clustern oder bestimmte Fokusse setzten?


Ich biete meinen Kunden bei einer Anfrage zu einem Graphic Recording immer sowohl die digitale Variante an, als auch die analoge. Ich mache beides gerne und beides hat Vor- und auch Nachteile. Es hängt von vielen Faktoren ab, welche Form sinnvoll ist. Das gehört auch zur guten Kunden-Beratung. Bei einer digitalen Variante, kann ich mir irgendwann ein Programm definitiv vorstellen, welches ein Bild still und leise vor sich hin zeichnet mit Symbolen und Textbausteinen. Aber, wie gesagt, ohne Dramaturgie, Struktur oder Fokus. Könnte aber vielleicht zum Teil sehr lustig werden. Wird wahrscheinlich erst mal so, wie früher Google-Translator war.


Je weiter die Technik fortschreitet, desto größer wird die Nachfrage bei mir nach Graphic Recordings auf Papier. Das schient nicht nur immer eine Entscheidung zu Gunsten der Sinnhaftigkeit zu sein. Das scheint häufig eine große Sehnsucht danach zu sein, den Entstehungsprozess nachvollziehen zu können. Das Nicht-Vorhandensein der Löschen-Taste scheint auch seinen Charme zu haben. Ganz allgemein scheint auch die Haptik eine Rolle zu spielen. Man kann das Produkt -das Papier- anfassen und Fehler sind sichtbar. Können nicht vertuscht werden. In Workshops stelle ich Verständnis-Fragen und bei Konferenzen muss ich schlechte Reden entblößen, indem ich weniger zeichne. Eine Maschine wäre da wahrscheinlich weniger anspruchsvoll.

Wie sähe eine Maschine aus, die all das mit zeichnet? Es gibt schon Zeichenmaschinen, die sind aber so langsam wie ne Oma-Schnecke. Angenommen, die bekommen eine Turbo, können die dann auch alles oben genannte? 


Und zu guter letzt habe ich noch die gesellschaftliche Frage (die jetzt wirklich subjektiv und persönlich ist): Wie viel schneller, weiter, höher,…flexibler, effektiver, agiler wollen wir mit der KI denn noch werden? Wie viele Marktführer brauchen wir? Woher kommt das Geld, womit man all die Produkte bezahlen kann, die demnächst noch effektiver und wirtschaftlicher auf den Markt kommen?


Ich bin mir sicher, dass Strategiebilder und Graphic Recording nicht von der KI ersetzt werden kann. Noch habe ich mich nicht ernsthaft mit den Programmen beschäftigt, die für mich relevant werden könnten. Ich werde wohl nicht drum herum kommen. Zumindest um mitreden zu können und meine Kunden auch weiterhin gut beraten zu können. Ob ich das für mich am Ende nutzen werde, ob ich Lust haben werde, eine KI zu füttern, anstatt den Stift zu schwingen, wird sich zeigen. Der Kopf ist ein Glück rund, damit die Gedanke ihre Richtung ändern können :-)

 

Herzlichst, Ihre Martina Grigoleit

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